
Bereits 2021 hat sich die österreichische Schweinebranche im Rahmen einer Tierwohlstrategie zur Weiterentwicklung im Bereich Tierwohl bekannt und seither intensiv am Ausbau der Tierwohl-Schweinehaltung in Österreich gearbeitet. Im Mittelpunkt dieser Bemühungen steht die sogenannte marktorientierte Weiterentwicklung. Für Betriebe, die auf Tierwohlhaltung umstellen möchten, sollen langfristige und verlässliche Vermarktungsschienen geschaffen werden. Dies ermöglicht einerseits eine nachhaltige und kontinuierliche Haltung von Tierwohl-Schweinen. Andererseits sind Investitionen in tierwohlgerechte Stallsysteme nur durch mehrjährige Partnerschaften und Abnahmevereinbarungen wirtschaftlich tragbar. Voraussetzung dafür ist jedoch eine steigende Nachfrage seitens der Marktpartner.
Auch im Jahr 2024 sind die Schlachtungen im Rahmen von Bio- und Tierwohl-Qualitätsprogrammen im Vergleich zum Vorjahr um 8,4 % gestiegen. Seit 2021 ist die Anzahl an Bio- und Tierwohlschweinen von 170.000 auf 246.000 Tiere angewachsen – ein Plus von 43,9 %. Aktuell stagniert jedoch die Nachfrage nach Tierwohlschweinen, und eine langfristig positive Entwicklung ist derzeit nicht absehbar. Betrieben, die auf besonders tierfreundliche Haltungsformen umsteigen wollen, kann derzeit keine Vermarktungssicherheit garantiert werden. Um die Tierwohlproduktion weiter voranzubringen, braucht es eine gesteigerte Nachfrage nach Bio- und Tierwohl-Schweinefleisch, eine klare und transparente Kennzeichnung von Herkunft und Haltungsform für Konsumentinnen und Konsumenten sowie einen verlässlichen rechtlichen Rahmen für die Schweinehaltung in Österreich.
Bis 2030 soll jährlich eine Million Bio- und Tierwohlschweine in Österreich gehalten und vermarktet werden
Als Reaktion auf den gesellschaftlichen Wandel in den Erwartungen an die tierhaltende Landwirtschaft hat sich die österreichische Schweinebranche im Jahr 2021 zu einer umfassenden Weiterentwicklung im Bereich Tierwohl bekannt. Neben übergreifenden Maßnahmen – etwa der Erarbeitung kostengünstiger Verbesserungen in konventionellen Ställen im Rahmen des Forschungsprojekts IBeSt oder der Umsetzung praxistauglicher Anpassungen im gesetzlichen Rahmen durch das Tierwohlpaket vom Juli 2022 – steht vor allem die marktorientierte Weiterentwicklung im Zentrum dieser Strategie. Das erklärte Ziel: Bis 2030 soll jährlich eine Million Bio- und Tierwohlschweine in Österreich gehalten und vermarktet werden.
Diese marktbasierte Weiterentwicklung ist eng mit dem „Masterplan Schwein“ der AMA-Marketing verknüpft. Das AMA-Gütesiegel ist das einzige staatlich anerkannte und flächendeckend eingesetzte Qualitätssiegel, das eine jährliche Kontrolle durch unabhängige Stellen vorsieht. Im Rahmen des Masterplans wurden die Kriterien des AMA-Gütesiegels bereits seit 2022 deutlich angehoben. So liegt das Platzangebot für Schweine mit AMA-Gütesiegel derzeit 10 % über dem gesetzlichen Mindestmaß – mit einem Stufenplan zur schrittweisen Ausweitung auf 20 %. Zudem sind der Einsatz von entwaldungsfreiem Soja, eine stickstoffreduzierte Fütterung, die Teilnahme am Tiergesundheitsdienst sowie ein verpflichtendes Antibiotika-Monitoring zur Reduktion des Wirkstoffeinsatzes Teil des Programms.
Auch das bestehende Modul „Mehr Tierwohl“ wurde weiterentwickelt und differenziert. Im Modul „Mehr Tierwohl – Gut“ (TW60) gelten Vorgaben wie 60 % mehr Platz und eine eingestreute Liegefläche. Neu eingeführt wurde das Modul „Mehr Tierwohl – Sehr Gut“ (TW100). Es umfasst unter anderem ein doppeltes Platzangebot, eine tief eingestreute Liegefläche, Zugang zu einem Außenbereich, gentechnikfreie europäische Futtermittel, die Haltung unkupierter Tiere sowie die ausschließliche Durchführung von Kastrationen unter Narkose.
„Was den Tieren guttut und sich bewährt hat, soll bleiben. Wo Verbesserungen nötig sind, finden sich Lösungen – aber immer mit einem wachsamen Blick auf die Märkte. Denn nur, wenn wir überlegt handeln, sichern wir uns eine tiergerechte Zukunft.“ Ing. Rupert Hagler, Obmann Österreichische Schweinebörse
Trends in der Schweineschlachtung: Leichte Stabilisierung mit differenzierten Entwicklungen
Nach Jahren rückläufiger Tendenzen zeigt sich die österreichische Schweineproduktion im Jahr 2024 erstmals wieder leicht stabilisiert. Laut den Daten der heimischen Klassifizierungsdienste, die einen Großteil der untersuchten Schlachtungen und Qualitätsprogramme erfassen, wurden insgesamt 4.409.000 Schlachtungen registriert – ein Plus von 0,9 % gegenüber dem Vorjahr.
Knapp die Hälfte dieser Schlachtungen (49,2 % bzw. 2.167.000 Tiere) erfolgte außerhalb eines definierten Qualitätsprogramms. Innerhalb dieser Kategorie wurden 1.628.000 Schweine in Österreich geboren, gemästet und geschlachtet – eine leichte Steigerung von 0,8 %. Deutlich zugenommen hat der Anteil von Schweinen, die im Ausland geboren, aber in Österreich gemästet und geschlachtet wurden: Mit 137.000 Tieren liegt diese Gruppe nun bei einem Anteil von 3,1 % – ein Plus von 42,4 %. Auch die Zahl der Schweine, die ausschließlich zur Schlachtung nach Österreich importiert wurden, ist um 7,6 % gestiegen und liegt bei 402.000 Tieren (9,1 % Anteil).
Im AMA-Gütesiegelprogramm wurden 2024 insgesamt 1.995.000 Schlachtungen der Basisstufe zugeordnet – das entspricht einem Anteil von 45,3 % und einem Rückgang von 3,0 %. In der konventionellen Tierwohl-Schweinemast entfielen 99.500 Schlachtungen auf das Modul „Mehr Tierwohl – Gut“ (2,3 %, minus 1,8 %) sowie 66.800 Schlachtungen auf das Modul „Mehr Tierwohl – Sehr Gut“ (1,5 %, plus 51,0 %). Die stark gestiegene Menge im TW100-Modul deutet auf ein wachsendes Interesse an besonders tierfreundlicher Haltung hin.
Im Bereich der biologischen Schweinehaltung wurden von den Klassifizierungsdiensten 80.100 Schlachtungen erfasst – ein Anteil von 1,8 %, was einem Rückgang von 1,8 % entspricht. Da ein signifikanter Teil der Bio-Schlachtungen über die Direktvermarktung abgewickelt wird, sind diese Zahlen jedoch nur eingeschränkt repräsentativ für die gesamte Bio-Produktion.
„Die Haltungsform der Schweine in Österreich ist vielfältig: vom gesetzlichen Mindeststandard über Tierwohl bis Bio. Ebenso vielfältig ist das Interesse der Konsumenten. Daher braucht es dringend die Haltungsformkennzeichnung. Für mehr Fairness für Erzeuger und Verbraucher!“ Dr. Johann Schlederer, Geschäftsführer Österreichische Schweinebörse
Haltungsform | Anteil (%) |
---|---|
Standard – Import (Ferkel) | 3,1 |
Standard – Import (Schwein) | 9,1 |
Standard – AAA | 36,9 |
AMA-GS | 45,3 |
AMA-GS MTW G | 2,3 |
AMA-GS MTW SG | 1,5 |
Bio (AT) | 1,8 |
Quelle: österreichische Klassifizierungsdaten
Ausblick: Zwischen Stabilisierung und Unsicherheit
Nach Jahren rückläufiger Entwicklung hat sich die österreichische Schweineproduktion im Jahr 2024 erstmals stabilisiert – ein Trend, der auch europaweit zu beobachten ist. Trotz dieser positiven Gesamttendenz bleibt die Investitionstätigkeit in der Branche weiterhin verhalten. Gründe dafür sind eine wachsende Unsicherheit angesichts immer neuer gesetzlicher Auflagen im Umwelt- und Tierschutz sowie ein zunehmend belastendes mediales Klima gegenüber der Berufsgruppe der Schweinebäuerinnen und -bauern. Besonders in Österreich sorgt das bisher ungeklärte Thema der Übergangsfrist für das Verbot unstrukturierter Vollspaltenbuchten für Mastschweine, Zuchtläufer und Aufzuchtferkel weiterhin für große Verunsicherung.
Wachstum in absoluten Zahlen verzeichneten 2024 lediglich zwei Segmente: das AMA-Gütesiegel-Modul „Mehr Tierwohl – Sehr Gut“ sowie die Kategorie der Schweine außerhalb von Qualitätsprogrammen. Dieses Wachstum ist vor allem auf Initiativen großer Marktakteure entlang der Wertschöpfungskette zurückzuführen, insbesondere im Lebensmitteleinzelhandel. So hat etwa die REWE Group mit dem Ausbau des Programms „Fair zum Tier“ eine deutliche Nachfrage nach besonders tierfreundlich gehaltenen Mastschweinen geschaffen. Durch langfristige Abnahmeverträge über fünf Jahre erhielten zahlreiche Betriebe eine verlässliche Perspektive im Bereich Tierwohl.
Allerdings ist aus heutiger Sicht mit einem Abschluss des Programmausbaus bis Ende 2025 zu rechnen. Ohne zusätzliche Nachfrage sind weitere Zuwächse in diesem Segment unwahrscheinlich. Der Anstieg in der Kategorie der Schweine ohne Qualitätsprogramm ist hingegen auf die gestiegene Preissensibilität vieler Konsumentinnen und Konsumenten zurückzuführen, die zunehmend im Preiseinstiegssegment einkaufen. Auch der deutliche Zuwachs bei Importen von Ferkeln und Schlachtschweinen spiegelt diese Entwicklung wider und steht zudem im Zusammenhang mit dem knappen Schweineangebot am Markt.
Die steigende Zahl importierter Ferkel hängt unter anderem mit dem bis 2033 geplanten Umbau der Sauenhaltung auf sogenannte Bewegungsbuchten zusammen – ein Beispiel für die Folgen nationaler Alleingänge bei Haltungsvorgaben. In der Entwicklung verlässlicher Vermarktungsschienen für Tierwohl-Schweine kommt den Erzeugerorganisationen eine zentrale Rolle zu. Als Bindeglied zwischen Urproduktion und Handel sowie als logistische Drehscheiben gestalten sie die Vermarktung aktiv mit. Während die Erzeugerorganisationen der Österreichischen Schweinebörse insgesamt rund die Hälfte der österreichischen Schweine vermarkten, lag ihr Anteil bei konventionellen Tierwohl-Schweinen im Jahr 2024 bei beachtlichen 85 %.
Jahr | GESAMT BIO & MTW | BIO | MTW SEHR GUT | MTW GUT |
---|---|---|---|---|
2018 | 227.000 | 53.000 | 90.000 | 20.000 |
2019 | 246.000 | 57.000 | 105.000 | 44.000 |
2020 | 202.000 | 67.000 | 101.000 | 42.000 |
2021 | 171.000 | 74.000 | 99.000 | 55.000 |
2022 | 95.000 | 78.000 | 67.000 | 58.000 |
2023 | 112.000 | 82.000 | 6.000 | – |
2024 | 131.000 | 80.000 | 7.000 | – |
Quelle: Österreichische Klassifizierungsdaten
„Österreich gehört in vielen Bereichen der Tierhaltung zu den Vorreitern in Europa. Investitionen in allen Bereichen der Schweinehaltung werden nur getätigt, wenn Bauern und Bäuerinnen wieder Vertrauen in den gesetzlichen Rahmen fassen. Wir fordern daher von der Politik rasche und praxistaugliche Lösungen in allen offenen Fragen der Schweinehaltung!“ Ing. Franz Rauscher, Obmann Schweinehaltung Österreich
Zukunft der Tierwohl-Schweinehaltung: Positive Entwicklung braucht klare Impulse
Im Jahr 2024 wurden in Österreich insgesamt 246.000 Bio- und Tierwohl-Schweine geschlachtet. Das entspricht einem Anteil von 6,1 % an allen im Inland gehaltenen Schweinen. Gegenüber dem Vorjahr bedeutet das ein Zuwachs von 8,4 %. Verglichen mit dem Jahr 2021 sind die Bio- und Tierwohlsegmente sogar um 43,9 % gewachsen. Einen wesentlichen Beitrag zu diesem Anstieg leistete das REWE-Projekt „Fair zum Tier“, das vielen Betrieben durch langfristige Abnahmeverträge eine Perspektive im Tierwohlbereich eröffnete. Mit dem voraussichtlichen Abschluss des Programmausbaus Ende 2025 ist aus heutiger Sicht jedoch nicht mit einem weiteren Wachstum zu rechnen.
Damit der seit 2018 erkennbare positive Trend dennoch fortgeführt werden kann, braucht es entschlossene Maßnahmen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Eine zentrale Rolle spielt dabei die Steigerung der Nachfrage nach Bio- und Tierwohlfleisch – nicht nur im Lebensmitteleinzelhandel, sondern auch im Großhandel, in der Verarbeitungsindustrie, in der Gastronomie sowie durch die öffentliche Hand. Insbesondere die Umsetzung des naBe-Aktionsplans in öffentlichen Küchen auf Bundes-, Landes- und Gemeindeebene bietet Potenzial, die Nachfrage nach Tierwohlfleisch strukturell zu stärken. Eine höhere Nachfrage schafft Vermarktungssicherheit und damit bessere Voraussetzungen für Betriebe, die ihre Haltungsform umstellen möchten.
Ebenso entscheidend ist eine transparente und verständliche Kennzeichnung von Herkunft und Haltungsform – überall dort, wo Konsumentinnen und Konsumenten ihre Kaufentscheidungen treffen. Eine breit angelegte, mehrjährige Informationskampagne durch die AMA-Marketing kann dieses Bewusstsein zusätzlich stärken und die Verantwortung auf breitere Schultern verteilen.
Nicht zuletzt braucht es einen verlässlichen und stabilen rechtlichen Rahmen für die österreichische Schweinehaltung. Nur wenn Betriebe langfristig planen können, werden notwendige Investitionen getätigt und neue Konzepte umgesetzt. Die Österreichische Schweinebörse eGen bekräftigt ihr klares Bekenntnis zur Bio- und Tierwohlproduktion. In enger Zusammenarbeit mit Partnern aus Wirtschaft, Politik und Gesellschaft sollen auch in den kommenden Jahren die Voraussetzungen für eine zukunftsfähige, verantwortungsvolle Schweinehaltung geschaffen werden.
„Die Entwicklungen am Tierwohlschweine-Markt zeigen eindeutig: eine nachhaltigeWeiterentwicklung zu mehr Tierwohl und Nachhaltigkeit ist nur dann möglich, wenn von der Landwirtschaft über den Handel bis hin zu den Konsumentinnen und Konsumenten alle gemeinsam Verantwortung übernehmen.“ DI Michael Klaffenböck, Geschäftsführer Schweinehaltung Österreich